Schon als Kind hat mich fasziniert, wie Musiker an Klavier und Orgel
Lieder mehrstimmig begleiten können. Im Alter von etwa 12 Jahren
erklärte der wunderbare P.Hermann Naumann im Musikunterricht die
Kadenz; ich begriff das System sofort und begann am Klavier
sämtliche Lieder des "Laudate" (und auch die ersten Beatles-Titel)
zu harmonisieren.
Und als ich etwa 13 Jahre alt war,
verbrachte ich die Gottesdienste am liebsten auf der Empore und
beobachtete den Organisten (den fabelhaften Rudi Tradt). Eines Tages
fragte er, ob ich's mal probieren wollte. Ich hatte gerade ein
Praeludium von J.S.Bach auswendig gelernt und traute mich. Es war
ergreifend, mit meinem Spiel diese Klangfülle erzeugen zu können.
Einige Gottesdienste später meinte er, er habe jetzt etwas zu
erledigen; wenn er nicht rechtzeitig zurückkomme, solle ich doch
nächste Lied begleiten. Erst viel später erfuhr ich, dass er sich
hinter einer Säule versteckte und zuhörte.
Ab diesem
Zeitpunkt war ich sein Aushilfsorganist und allmählich für einige
seiner Kollegen, etwa auch für den in St.Simpert in Augsburg. Und so
kam es, dass ich von 1.April 1973 bis 1.Mai 1983 in St.Simpert als
Kirchenmusiker wirken durfte, eine wunderschöne und fruchtbare Zeit.
Aus der Zeit in St.Simpert gibt es noch einige
Tonbandaufnahmen. Die erste, die ich hier vorstelle ist ein Projekt des
Musikwissenschaftlichen Instituts der LMU München unter der Leitung von
Dr.Rudolf Nowotny: Die "Deutsche Messe" von Franz Schubert
in der Originalfassung, aufgenommen am 05.02.1978.
Auf dem
Informationsblatt sind die Besonderheiten und Hintergründe des
Projekts näher erläutert. In der folgenden Tabelle sind die einzelnen
Titel zum Anhören aufgelistet:
Am 1.Juli 1978 weihte Bischof Stimpfle die neue Orgel von
St.Simpert, op.48 meines Freundes
Rudolf Kubak (+2008),
für mich auch heute noch das schönste Instrument, das ich kenne
- und das sind viele. Es steht ebenerdig; der Organist
blickt zum Altar; Orgel und Musikant reihen sich somit in die um
den Altar versammelte Gemeinde ein, so wie es dem liturgischen
Gedanken des 2.Vatikanischen Konzils entspricht.
Der Orgelbauer wollte ursprünglich für die Weihe einen anderen
Organisten, mit dem ich jedoch kirchenmusikalisch und
liturgisch nicht übereinstimmte. Um diesem Dilemma zu entgehen,
gelang es mir, mit
Prof.Franz Lehrndorfer (+2013) die absolute
Koryphäe zu gewinnen, welcher auch Rudi Kubak nichts mehr
entgegensetzen konnte. Für mich wurde diese Feier damit zu einem
Höhepunkt meiner gesamten musikalischen Laufbahn.
Außer Franz Lehrndorfer sangen und musizierten:
- der Kirchenchor
St.Simpert unter meiner Leitung (ich spielte auch Gambe), Bläser aus
Zusamaltheim (Ltg. DieterMörtl)
- die Solist*innen Margret Kremer(S) Elke Augst(A) Hartmut
Quotschalla(T) Günter Straßer(B) Wolfgang Rödl und Bernhard Koppold
(Violine)
Die Graphik stammt aus der Feder unseres kunstsinnigen Pfarrers
Georg Birkle. Die folgenden Soundtracks sind der Live-Mitschnitt durch
ein altehrwürdiges Tonbandgerät. Da gibt es vielleicht ein paar
Nebengeräusche, wenn jemand an's Mikrophon stößt oder die zweite Spur
"durchschlägt".
Die Gemeindegesänge sind hier wegen der einzigartigen Begleitung
durch Franz Lehrndorfer wiedergegeben. Das Programm sollte einen schönen
Wechsel zwischen Orgelsolo, Chorgesängen und Ensembleklängen ergeben.
(01)
Felix Mendelssohn-Bartholdy,
Richte mich Gott (Ps 43) 8-st.Motette für gemischten Chor
Von 1985 bis 2005 dirigierte ich den Kirchenchor St. Michael
Fischach, eine sowohl musikalisch als auch menschlich überaus engagierte
Gemeinschaft, die sich begeistert mit mir auf den Weg
in außergewöhnliche Höhepunkte der Kirchenmusik wagte.
1.3.1: W.Byrd, F.Mendelssohn, G.P.da Palestrina
Am Sonntag vor meinem 50.Geburtstag (01.09.2002) durfte ich mit diesem liebenswerten Ensemble in der "Kobelkirche" einen Festgottesdienst mit anschließender eucharistischer Anbetung gestalten. (Zelebrant war Georg Birkle, mein geistlich väterlicher Freund aus den Zeiten in St.Simpert.) 'Mein' Kirchenchor erfüllte mir dabei mit William Byrd, Felix Mendelssohn-Bartholdy und Giovanni Pierluigi da Palestrina lebenslange Herzenswünsche.
Die MASS IN FIVE PARTS von William Byrd (1543-1623) kannte ich von einer Schallplatte mit den Elisabethan Singers, die ich mir auf meiner ersten Reise nach England im Sommer 1970 gekauft hatte. Eine liebe Freundin hat mir dann einige Zeit später die Noten dazu besorgt, die aber dann 30 Jahre lang in meinem Schrank lagen. Erst mit diesem Chor konnte ich das wunderschöne Werk studieren.
Dass wir den Psalm 91 in der achtstimmigen (!) Vertonung von Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847) mit so wenigen Sänger*innen geschafft haben, erfüllt uns (zu Recht) immer noch mit Stolz. In meinen Augen - resp. Ohren - ist diese Motette ein Stück Musik, für das es sich lohnt, gelebt zu haben. Dabei ein kleiner Tipp am Rande: Die jeweils 1.Stimme jeder Lage ist solistisch besetzt. Gerade in der extremen Höhe bei Tenor oder Sopran würde die unvermeidlich entstehende Reibung von zwei Stimmen den Gesamtklang erheblich stören. Entweder eine*n Sänger*in oder mindestens drei pro Stimme, aber niemals zwei!!!
Caspar Ett (1788-1847) dürfte etwas weniger bekannt sein. Sein Werk ist nicht besonders umfangreich. Es handelt sich mehr um einfache, aber durchaus reizvolle "Gebrauchsmusik" für die Liturgie.
Und über 'den' Meister Giovianni Pierluigi da Palestrina (1525-1594) brauche ich wohl nicht allzuviele Worte verlieren. Allerdings ist das hier vorgestellte "Magnificat primi toni a quatro voce" ein ziemlich wenig bekanntes Werk, das ich wohl in den 70er Jahren aus der Gesamtausgabe kopiert habe. Jedenfalls finde ich keine "neue" Edition im Handel.
Hier also die Aufnahmen aus dem Festgottesdienst an meinem 50.Geburtstag.(Hernach gingen wir natürlich schön gemeinsam speisen.)
Es war noch zu meiner Schulzeit, als ich erstmalig die Arie "Erbarme
dich" aus Bachs Matthäuspassion mit dem Countertenor Paul Estwood hörte.
Es handelte sich um die Aufnahme des Concentus Musicus unter
Nikolaus
Harnoncourt, (1929 - 2016) "in authentischer Besetzung mit
Originalinstrumenten" von 1970.
In diesem Moment erwachte in mir das Interesse an
historischer Aufführungspraxis und deren Realisierung. Es musste
doch zwischen Gregorianik und Bach noch etwas geben !!!
Dies führte zu der Formation "studio -C-
augsburg", mit dem ich mich von 1972 bis 1985 intensiv bemühte, einen
kleinen Teil des reichhaltigen Schatzes "alter Musik" aus seinem
Dornröschenschlaf in Bibliotheken und wissenschaftlichen Werken
wachzuküssen und ihn zum Klingen zu bringen. Näheres dazu füge ich in
folgender
Dokumentation an.
Die
Grenzen sind fließend. Die Meister der so genannten "Vorklassik",
aber auch Haydn und Mozart verwenden in einer ganzen Reihe von
Werken noch immer den Basso Continuo, ein typisches Element der
Barockzeit. Von daher ist es durchaus legitim, auch diese Musik als
"alt" zu bezeichnen und nach Möglichkeiten einer historischen
Aufführungspraxis zu suchen, etwa ...
2.2.1:
Wolfgang Amadé Mozart, Missa Brevis in
B-Dur
Wir haben dieses köstliche Stück Musik (KV 275) sehr oft bei kirchlichen
Feiern in kammermusikalisch durchsichtiger Besetzung gesungen. Dazu gibt
es eine kleine
Dokumentation. Und hier die Aufnahme vom 10.02.1980 in
St.Simpert in Augsburg mit meiner Schwester Margret im Sopran, meiner -
damals noch - Braut Elisabeth im Alt, meinem Bruder Manfred als Bass und mir im Tenor und am Cembalo.
Das Orchester
bestand aus meinen ehemaligen Schulkameraden Wolfgang Rödl (1.Geige) und den
Brüdern Bernhard (2.Geige) und Martin Koppold (Cello). Nicht so ganz perfekt,
aber live!